Eine neue ERA im Weltraum Eine andere Art Perseverance
Er ist 11 Meter lang und hat eine noch längere Geschichte: ERA (European Robotic Arm) von der ESA entwickelt und gebaut, mit dem russischen Mehrzwecklabor-Modul NAUKA zur ISS gestartet. Sein Weg von der Idee bis ins All unterstreicht die Erkenntnis: Raumfahrt ist schwierig und es kann lange dauern, bis man dort ankommt. Schauen wir uns die Reise dieses Arms ins All an.
HERA für HERMES
Der Roboterarm wurde zunächst als Hermes-Roboterarm (HERA) konzipiert, ein “Roboter, der das Hermes-Raumflugzeug bei seiner Hauptaufgabe unterstützen wird: der Wartung des Columbus Free Flyer”. So wurde es 1992 auf der IEEE International Conference on Robotics and Automation vorgestellt. Das Paper dazu gibt es auf der IEEE Explore Site.
Nehmen wir diesen scheinbar einfachen Satz zum Spaß mal auseinander. HERMES war ein geplantes ESA Space Shuttle, das auf der Ariane 5 starten und Astronauten in den Orbit bringen sollte. Es war im Wesentlichen ein kleines Space Shuttle, inklusive einer Ladebucht und dem Roboterarm HERA, mit dem Nutzlasten aus der Ladebucht des Raumflugzeugs auf eine kleine Raumstation bewegt werden sollten. Die Planung begann in den 80er Jahren, der erste Start war für 1998 geplant, was dann in die frühen 2000er Jahre verschoben wurde.
Sein ursprüngliches Ziel war der Columbus Free Flyer – ein ESA-Programm zur Entwicklung einer Raumstation. Dieses wurde 1991 noch im Planungsstadium abgebrochen. Teile des Programms wurden später im Wissenschaftslabor Columbus an der Internationalen Raumstation (ISS) realisiert.
Ohne Reiseziel und – nach dem Ende des Kalten Krieges – mit Zugang zum Weltraum für astronautische Missionen sowohl mit der NASA als auch durch dem russische Raumfahrtprogramm wurde HERMES 1992 eingestellt. Aber das Design des Roboterarms blieb bestehen.
#MIR2
Als nächstes sollte der Roboterarm auf der MIR-2 verwendet werden. Das sowjetische Projekt einer Raumstation war sein 1976 in Planung und hatte in der Planung größere und kleinere Versionen durchlebt. Nur ein Aspekt blieb immer: die Station sollte um ein Kernmodul namens DOS-8 herum gebaut wurden, das zugleich als Unterkunft für die Montagecrew dienen sollte. An einem Punkt sollte die Raumstation aus bis zu vier mit dem DOS-8-Modul verbundenen 90-Tonnen-Module bestehen. Die riesigen Module sollten mit Energija gestartet werden, der Schwerlastrakete für Nutzlasten von bis zu 96 t in den LEO. Auf ihr sollte auch die sowjetische Raumfähre Buran ins All starten.
Während die Sowjets die MIR-2 planten, wollten die Amerikaner ihre eigene große Raumstation namens Freedom bauen. Doch dann fiel der Eiserne Vorhang.
ISS – erster Versuch
in 1999 ESA published a short film outlining role ERA would play on the ISS.
Nun wurden Pläne geschmiedet, die beiden groß angelegten Raumstationsprojekte zu dem zusammenzuführen, was schließlich die ISS werden sollte. Diese Pläne wurden recht schnell verwirklicht. 1993 wurde Sarja als erstes Modul der ISS gestartet, gefolgt von dem in den USA gebauten Verbindungsmodul Unity und dann – im Jahr 2000 – das russische Modul Swesda, auch bekannt als DOS-8.
Der European Robotic Arm (ERA), wie er mittlerweile genannt wurde, sollte auf der russischen Science Power Platform platziert werden, die ebenfalls Teil des MIR-2-Designs war. Aber irgendwann, so ESA Projektmanager Philippe Schoonejans in einer Episode des ESA Explore Podcasts, “wurde das gecancelt (…). Und ich glaube, die Russen haben dann entschieden, dass es für sie in Ordnung ist, die Energie aus den sehr, sehr großen amerikanischen Solaranlagen auf dem amerikanischen System zu nutzen.”
Abgesagt? Schon wieder? Aber halt: Sie bekommen die Energie von einem anderen Ort, aber es heißt Science Power Platform, also was ist mit der Wissenschaft (Nauka auf Russisch)?
Nauka
Mehr Glück beim vierten Versuch? Die Planungen für weitere russische Wissenschaftsmodule für die ISS, die an Zarya und Zvesda angebracht werden sollten, reichen bis in die 90er Jahre zurück. Doch fehlende Mittel führten zu vielen Verzögerungen. Schließlich fiel 2004 die Entscheidung, das Zarya-Ersatzmodul für den Bau von Nauka zu verwenden. Das Modul war bereits seit 1998 zu etwa 70% fertiggestellt und wurde aufgrund des erfolgreichen Starts von Zarya 1998 nicht benötigt. Im Jahr 2005 wurde vereinbart, ERA zusammen mit Nauka zu starten.
Natürlich gab es Verzögerungen und technische Schwierigkeiten. Aber jetzt, nicht einmal 30 Jahre nach der Beschreibung in einem Papier, ist sie an der Spitze einer Proton-M-Trägerrakete zur ISS gestartet.
ESA’S 2021 piece on the launch of ERA
Noch ein Arm
Die Internationale Raumstation hat natürlich schon zwei Roboterarme: Canadarm2 und das japanische Experiment Module Remote Manipulator System. Beide spielen eine entscheidende Rolle beim Andocken von Raumfahrzeugen und beim Greifen von externen Nutzlasten an den US-amerikanischen und japanischen Modulen. Warum also noch einen schicken? Nur weil es schon seit 1992 in Planung ist? Nein, natürlich nicht. Die kanadischen und japanischen Arme können das russische Segment der Internationalen Raumstation nicht erreichen. Die unterschiedlichen Typen von Basispunkten und Nutzlasthalterungen erlauben es ihnen nicht, in anderen Teilen der Station zu operieren.
Nach dem Start ist die Sache noch lange nicht ausgestanden. Wenn Sie hören wollen, wie jemand genauer erklärt, was noch ansteht bis der Arm schließlich vollständig installiert und getestet ist und dann vielleicht im März 2022 zum ersten Mal etwas trägt, empfehle ich diese ESA Explores Podcast-Folge mit Philippe Schoonejans (ESA), ERA-Projektmanager
.
Bei der ISS geht es vor allem darum, viel über das Leben und Arbeiten im All zu lernen. ERA ist also nicht nur ein sehr nützliches Werkzeug, sondern soll uns auch neue Erkenntnisse über die Mensch-Roboter-Interaktion im Weltraum vermitteln, die uns bei unserer Reise zum Mond und darüber hinaus helfen werden.
ERA wurde größtenteils von der niederländischen Regierung finanziert, mit Airbus Defense und Space Netherlands als Hauptauftragnehmern. Auf Twitter finden Sie einen Thread von @DutchSatellites, der einige weitere frühe Konzeptzeichnungen von ESA und Fokker zeigt. Es macht Spaß, schauen Sie mal rein.